Verklärter Herbst
(Georg Trakl, 1887-1914)


Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Dies ist ein Herbsttag ...
(Christian Friedrich Hebbel, 1813-1863)


Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.

                                    Wie freu‘ ich mich der Sommerwonne!

 

                                    Wie freu‘ ich mich der Sommerwonne,
                                    Des frischen Grüns in Feld und Wald,
                                    Wenn‘s lebt und webt im Glanz der Sonne
                                    Und wenn‘s von allen Zweigen schallt!

                                    Ich möchte jedes Blümchen fragen:
                                    Hast du nicht einen Gruß für mich?
                                    Ich möchte jedem Vogel sagen:
                                    Sing, Vöglein, sing und freue dich!

                                    Die Welt ist mein, ich fühl es wieder:
                                    Wer wollte sich nicht ihrer freu‘n,
                                    Wenn er durch frohe Frühlingslieder
                                    Sich seine Jugend kann erneu‘n?

                                    Kein Sehnen zieht mich in die Ferne,
                                    Kein Hoffen lohnet mich mit Schmerz;
                                    Da wo ich bin, da bin ich gerne,
                                    Denn meine Heimat ist mein Herz.

 

                                    August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
                                                                                    (1798 - 1874)

 

                              

                          Der Frühling ist die schönste Zeit!

 

                                Der Frühling ist die schönste Zeit!

                                Was kann wohl schöner sein?
                                Da grünt und blüht es weit und breit
                                Im goldnen Sonnenschein.
                                Am Berghang schmilzt der letzte Schnee,
                                Das Bächlein rauscht zu Tal,
                                Es grünt die Saat, es blinkt der See
                                Im Frühlingssonnenstrahl.
                                Die Lerchen singen überall,
                                Die Amsel schlägt im Wald!
                                Nun kommt die liebe Nachtigall
                                Und auch der Kuckuck bald.
                                Nun jauchzet alles weit und breit,
                                Da stimmen froh wir ein:
                                Der Frühling ist die schönste Zeit!
                                Was kann wohl schöner sein?

 

                                       Anette Drost-Hülshoff (Dichterin 1797-1848)

 

 

Foto: O. Busse

Gute Bäume, die ihr die starr entblätterten Arme reckt zum Himmel

und fleht wieder den Frühling herab!

Ach, ihr müsst noch harren, ihr armen Söhne der Erde,

manch stürmische Nacht, manchen erstarrenden Tag!

Aber dann kommt wieder die Sonne mit dem grünenden Frühling.

Euch nur kehret auch mir Frühling und Sonne zurück?

Harr geduldig, Herz, und bring in die Wurzel den Saft Dir!

Unvermutet vielleicht treibt ihn das Schicksal empor.

 

Johann Gottfried von Herder (1744 - 1803)

 

Im Herbst sammelte ich alle meine Sorgen
und vergrub sie in meinem Garten.
Und als der April wiederkehrte und
der Frühling kam, die Erde zu heiraten,
da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen,
nicht zu vergleichen mit allen anderen Blumen.

Und meine Nachbarn kamen, um sie anzuschauen,
und sie sagten zu mir:

Willst du uns, wenn der Herbst wiederkommt,
zur Saatzeit, nicht auch Samen dieser Blumen geben,
damit wir sie in unseren Gärten haben?

 

                                    Kahlil Gibran (1883-1931)

Es war, als hätt der Himmel
(Joseph von Eichendorff)


Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis' die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

 

Das sanfte Geräusch des Windes,

der über einen Teich hinstreicht - und der Geruch des Windes

gereinigt vom Mittagsregen

oder schwer vom Duft der Kiefern.

 

Die Luft ist kostbar für uns,

denn alle Dinge teilen denselben Atem

- das Tier, der Baum, der Mensch,

Sie alle teilen denselben Atem ...

 

Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens,

er ist darin nur eine Faser.

Was immer ihr dem Gewebe antut,

das tut Ihr Euch selber an.

 

 

Chief Seattle (Häuptling der Suquamisch- und Duramisch Indianer)

1786 - 1866

Frühzeitiger Frühling

Tage der Wonne,
Kommt ihr so bald?
Schenkt mir die Sonne
Hügel und Wald?

Reichlicher fliessen
Bächlein zumal.
Sind es die Wiesen?
Ist es das Tal?

Blauliche Frische!
Himmel und Höh!
Goldene Fische
Wimmeln im See.

Buntes Gefieder
Rauschet im Hain;
Himmlische Lieder
Schallen darein.

Unter des Grünen
Blühender Kraft
Naschen die Bienen
Summend am Saft.

Leise Bewegung
Bebt in der Luft,
Reizende Regung,
Schläfernder Duft.

Mächtiger rühret
Bald sich ein Hauch,
Doch er verlieret
Gleich sich im Strauch.

Aber zum Busen
Kehrt er zurück.
Helfet, ihr Musen,
Tragen das Glück!

Saget, seit gestern
Wie mir geschah?
Liebliche Schwestern,
Liebchen ist da!

- Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter -